Wie die meisten jungen, motivierten Eltern hatten auch wir uns vorgenommen, das S-Wort und erst recht das F-Wort nicht mehr, in Gegenwart unseres Kindes, laut auszusprechen. Nun ja, Sprachpädagogen schlagen vermutlich die Hände über dem Kopf zusammen. Die Umsetzung war bisher desaströs. Es ist aber auch brutal schwer solche jahrelang, hart antrainierten Gewohnheiten zu ändern. Erschreckt hat es mich allerdings auch, wie oft ich Schimpfwörter benutze. „So wirst du nie ne feine Lady!“ durfte ich mir schon als Teenager von Oma anhören. Ich hatte ihr versichert, dass ich keine werden will. Daran hat sich nichts geändert. Alles mit Stil, ist meine Devise, aber nicht ohne einen Hauch Rockstar Göre. Ich liebe das F-Wort, that´s the fucking truth. Es ist ziemlich mächtig. Und als kleine, zierliche Frau schmücke ich mich gern mit Sachen, die mich groß machen. Das finde ich nicht verwerflich. Genauso wenig wie ein lautes, deutliches „FUCK“. So, dass es Bubi halt nicht hört.
Was ich weit weniger geil finde, ist mein derzeit größter Abfuck. Ab..was? Davon gelesen habe ich vor ein paar Monaten bei „Faces of Moms“. Eine Plattfform von Moms für Moms, zur Reflektion, zum Austausch und zur Anregung. Faces of Moms interviewt regelmäßig Muttis zur ihren größten Herausforderungen. Ein wesentlicher Punkt der Interviews ist die Frage „Was ist dein größter Abfuck?“. Das hat mich getriggert und zur Aboleserin gemacht. Ich habe angefangen mich nach meinem größten Abfuck zu fragen. Es scheint das Thema meiner Generation zu sein, der Wahnsinn zwischen Selbst- und Fremdbestimmung. Früher hieß es Vereinbarkeit von Beruf und Familie, doch das beschreibt es nicht mehr vollständig. Frauen arbeiten nicht mehr nur um Geld zu verdienen, sie streben nach beruflicher Erfüllung, nach Tätigkeiten, mit denen Sie ihr Herz füllen. Das ist das hart erkämpfte Recht, als Frau unabhängig, frei zu entscheiden und zu handeln. Damit verbringen wir unsere 20er; mit der Selbstfindung, mit dem Finden und Einsetzen unserer Stimme. Und dann bekommen wir Babys, gewollt oder überraschend, egal – auf einmal sind wir schockverliebt. Wir geben alles für unsere Würmchen, Tag und Nacht. Alles andere steht hinten an und das ist okay. Bis es sich nicht mehr so okay anfühlt. Dann endet die Elternzeit und das Durchtakten beginnt: Aufstehen, fertig machen, Essen vorbereiten, Baby abgeben, arbeiten, Baby abholen, einkaufen, was mit Baby unternehmen, Freunde treffen, Wäsche, putzen, aufräumen, kochen, Rechnungen, Arzttermine, Geburtstage, Einkaufslisten, Ehemann küssen, schlafen, aufstehen und von vorne. Die Wochenenden sind quasi restlos ausgebucht, um alle Sozialkontakte zu pflegen, die man hat. Und zwischen all dem versucht Frau wieder Fuß zu fassen, auf dem Weg, den sie vor ihrem Dickbauch gegangen ist. Ein andauernder Balanceakt zwischen familiärer und persönlicher Bedürfnis- und Pflichterfüllung.
Anfang letzten Jahres (ich war noch in Elternzeit) hatte ich, im Rahmen meiner Studienarbeit, ein interessantes Gespräch mit einer Psychotherapeutin. Sie findet, dass Frauen heute sehr viel abverlangt wird. „Gleichzeitig berufstätig, Mutter und Partnerin sein halte ich für sehr kompliziert“. Kompliziert trifft es. Immer wieder erwische ich mich dabei, wie ich meinen Mann zugunsten meines Sohnes vernachlässige. Natürlich ist mein Noah als Kleinkind, auf seine Mama angewiesen, er braucht meine Unterstützung und Begleitung sehr viel mehr, als mein erwachsener Ehemann. Doch er braucht mich eben auch. Mit ihm führe ich ebenfalls eine Beziehung, er hat genauso seine Themen und das Bedürfnis nach mir. Und manchmal sitze ich abends auf dem Sofa und bin überfordert, wenn er sich an mich kuschelt und anfängt von seinem Tag zu erzählen. Das fühlt sich scheiße an. Da sitzt die Liebe deines Lebens neben dir, dein partner in crime, der Mann, der dir Atmen raubt, wenn er dich berührt und du hast null Energie für ihn. Ja klar, am Anfang ist das alles normal.. bla blub. Aber ist es das wirklich? Und wie lange ist das normal? Das ist kein Zustand an den ich mich gewöhnen möchte. Wir haben Datenights und Übernachtungen bei Oma, doch wie regeln wir den Alltag, dass solche Sofa Situationen die Ausnahme bleiben? Und was ist mit der Beziehung zu sich selbst. Wir sind heute nicht nur Muttis mit Träumereien, wir sind Frauen mit Leidenschaften. Wir wollen leben und diese Message unseren Kindern beibringen.
Was müssen wir ändern, damit wir dauerhaft mehr Luft bekommen? Müssen wir überhaupt etwas ändern? Bin ich zu schlecht organisiert? Bin ich zu idealistisch? Brauche ich mehr Geduld? Brauche ich überhaupt noch irgendetwas? Tja, was brauche ich wirklich. Was braucht unsere kleine Familie wirklich. Wenn ich ganz ehrlich bin, darf ich wohl meine persönliche Erwartungshaltung runter schrauben und noch dringender mich von der anderer lösen. Aufhören Visionen hinterherzurennen, die nicht meine eigenen sind. Die permanente Konfrontation von Meinungen und Realitäten erdrückt mich. Die Wahrheit ist: Ich lasse mich blenden und zur Perfektion hinreißen, die ich gar nicht will und noch weniger brauche. Dabei übersehe ich, wie viel „großartig“ ich bereits habe. Das ist kacke und darf weg.
Was mache ich jetzt also mit meinem Abfuck? Erstmal akzeptieren, dass er dazu gehört. Ich möchte viel erleben, viel erreichen, das bedeutet nunmal viel Leben und braucht gutes, konsequentes Management. Genauso konsequent sollte ich das, was keinen Sinn macht und unserer Familie keine Freude bringt, aussortieren. Auch Lebensziele. Knallhart reflektieren und weg damit. Weg mit der toten, kopflosen Handyzeit. Schluss mit Terminkalender vollstopfen und Multitasking. Schluss mit neidischen Blicken in fremde Wohnzimmer. Zurück zu Stolz und Wertschätzung und ner dicken Portion Gelassenheit. Ich bin davon überzeugt, dass es machbar ist: being a Mom AND a Rockstar. Wir brauchen heute größere Hüte, flexiblere und vor allem, sollten wir sie auch mal abgeben. Dann bekommen wir eine Menge drunter. Es muss ja nicht gleich alles sein.
Eine der wichtigsten Lektionen, während meiner Office Ausbildung, war folgende: „Am Ende des Tages wirst du nie auf null kommen. Es wird immer etwas zu tun geben.“ Das lässt sich eins zu eins ins family Leben übertragen. Und, wenn ich auch hier ganz ehrlich bin, ist das eine bereichernde Erkenntnis; zu wissen, dass mein Leben immer mit wertvollen Aufgaben gefüllt sein wird. Vielleicht ist genau das, der Weg zur Erfüllung, diese Aufgaben so zu wählen oder zu gestalten, dass sie wertvoll sind.
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