Das Ende einer Reise

*Das P.S. heute zu Beginn: Der Tipp zur musikalischen Begleitung für diesen Text, ist ganz am Ende des Beitrags

Das Ende einer Reise ist nur noch wenige Tage entfernt. Das Jahr neigt sich dem Ende, sein Herbst blüht in voller, wunderschöner Pracht. Ein süßlich, kühler Duft liegt in der Luft. Die Tage werden kürzer und dunkler. Etliche Kilometer, einige Kilo Kartoffeln und bezaubernde Erinnerungen liegen hinter mir. „Es kann jederzeit losgehen“ bestätigt mir meine Ärztin gestern, bei meinem voraussichtlich letzten Besuch bei ihr. Mit gemischten Gefühlen verließ ich die Praxis. Von Aufregung weiterhin keine Spur, aber eine dicke Portion Spannung im Bauch. Die ersten kleinen Wehen wurden bereits erfasst und sind für mich spürbar (aber wirklich mini). Dennoch scheint mir der große Tag meilenweit entfernt. So stark die Vorfreude in mir wächst, so sehr genieße ich die letzte Zeit allein, in Ruhe und Gedanken.

2019 ist in jeder Hinsicht  besonders. Immer wieder schlug es eine andere Richtung ein. Immer wieder schlug das Schicksal zu. Zwischendurch geriet ich ins Wanken und sehnte mich nach Ruhe. Seit zwei Monaten darf ich sie nun genießen, seit Mitte August bin ich zu Hause. Und selbst dort, habe ich weiter gepowert. Ich bin überrascht wie viel in mir steckt und stolz darauf, was ich alles erreicht habe.  Die letzten acht Wochen betrachte ich als Belohnung dafür. Endlich all das Zeug machen, wofür ich sonst nie Zeit hatte: Schränke aufräumen, Klamotten aussortieren, lesen, die Wohnung umgestalten, neue Musik hören, in den Himmel starren, nachdenken, schreiben und sprudeln. Monate am Stück war ich abstinent, habe kein Wort geschrieben. Zuerst hatten schlafen und lernen Priorität. Dann  überfiel mich die Pre-Mama Panik; das leere Kinderzimmer musste umgehend gefüllt werden, die Baby-Erstausstattungscheckliste brauchte dringend einen Haken, hinter jedem Punkt. Als ich wieder am Schreibtisch saß überkam mich eine ganz andere Panik: „Bin ich überhaupt noch kreativ? Kann ich es überhaupt noch?!“. Tagelang brachte ich wenig, bis gar nichts, außer Kruscht aufs Papier. Dann änderte ich die Strategie, verließ das Haus, machte mich frei von Druck und tippte los. Und da sind wir wieder.

In acht Wochen habe ich eine beachtliche to do Liste abgearbeitet (hochschwanger versteht sich). Lächelnd blicke ich zurück auf all die Schwangerschaftskommentare: „Warte nur ab, das kommt noch“, „Das kannst du dann nicht mehr“, „Schone dich, das geht jetzt auf keinen Fall“. Ich hatte Glück, keine Frage, bis heute ist es eine Bilderbuch Schwangerschaft. Andererseits hatte ich aber auch den Anspruch an mich selbst, normal weiter zu machen und auf nichts groß zu verzichten. Vor zehn Tagen erst haben wir eine, ziemlich groß geratene, Einweihungsparty geschmissen. Vor drei Wochen verbrachte ich einen Tag im Krankenhaus, bestand aber auf rechtzeitige Entlassung, damit ich mein letztes Studien Online Seminar nicht verpasste. All das zeigt mir, dass ich meinen Fokus halten kann. Jahre lang habe ich nach Klarheit gesucht, unter Tränen und gepeinigt von Schmerz habe ich mich zu ihr durchgekämpft. Sie ist wie ein Schatz, den ich ganz allein, aus eigener Kraft, erobert habe. Heute ist mein Selbstbewusstsein stark, mein Selbstwertgefühl gesund. Ich weiß wer ich bin und wohin ich möchte. Diese Tatsachen haben mich sehr gestützt, in dieser überraschenden Schwangerschaft. Hinzu kommt der Mann an meiner Seite, der mich bedingungslos und geduldig unterstützt. Der mich jeden Tag zum Lachen bringt, jeden Zweifel vertreibt, jede Freude teilt. Nicht nur bei ihm, sondern auch mit ihm bin ich angekommen – bei mir selbst und im Leben. Ich fühle mich stark und bereit. Nur noch wenige Tage, dann werde ich unseren Sohn zur Welt bringen. Eine Vorstellung die meinen Körper mit Gänsehaut überzieht und meine Augen mit Tränen füllt.

 


 

P.S.: Hier ein  frisch entdecktes Schmuckstück. Am besten erst Play und dann los lesen 😉 Obgleich ich diesen Song etwas anders interpretiere, als die Künstlerin, geht er unter die Haut. Ausgewählt habe ich ihn, weil er, in seiner ganzen Fülle, wunderbar zu meinem 2019, zu meinem Leben passt. Weil er ein Symbol für mich ist. Ein Symbol für den Mut zur Veränderung. Ein Symbol für die Kraft der Liebe.   


Kommentare

2 Antworten zu „Das Ende einer Reise“

  1. Liebe Anne, ich weiß, wir kennen uns nicht…dennoch machen mir deine Worte wahnsinnig bewusst, wie schnell sich das Blatt drehen kann und wie freudig Dinge nach einigen Schritten enden können. Ich weiß, deine bzw. Eure Reise ist noch lange nicht zu Ende. Danke, dass du vor einem Jahr da warst. Und danke für deine wohlgewählten Worte! Alles Liebe, Marie

    1. Liebe Marie, ich danke dir für Deine Worte. Wir haben uns nie getroffen, dennoch durften wir uns ein klein bisschen nah sein.
      Das einzig beständige im Leben ist der Wandel. Eine Tatsache die manchmal fürchterlich ist und ein anderes Mal wunderbar. Du bist eine starke Frau, vergess das niemals. Ich freue mich einen Teil deiner Reise erlebt zu haben. Hab Vertrauen und geh deinen Weg. Fühl dich gedrückt, Anne

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